Weniger Rohstoff, mehr Effizienz: Wie Sekundäraluminium die Industrie nachhaltiger macht

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Aluminium lässt sich nahezu unendlich oft recyceln – und trotzdem stammt noch immer ein Großteil der industriell verwendeten Menge aus energieintensiver Primärproduktion. Warum wird das enorme Potenzial von Sekundäraluminium nicht konsequenter genutzt? Während die Politik von Kreislaufwirtschaft spricht, stehen viele Unternehmen noch immer vor der Frage, wie sich Recycling wirtschaftlich und technisch umsetzen lässt. Dabei gibt es längst funktionierende Modelle. Wer genauer hinsieht, erkennt: Sekundäraluminium ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern wird zunehmend zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil.

Industrieprozesse im Umbruch: Sekundäraluminium verändert Materialstrategien

Rund 95 Prozent Energie lassen sich einsparen, wenn Aluminium recycelt statt neu gewonnen wird. Diese Zahl stammt vom Umweltbundesamt und hat es in sich. Unternehmen, die Aluminium verarbeiten, sehen sich daher mit einer neuen Verantwortung konfrontiert. Neben den klassischen Anforderungen wie Gewicht, Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit rückt die Frage in den Fokus: Woher stammt das Material? Besonders Branchen mit hohem Ressourceneinsatz, wie Automobilbau, Maschinenbau oder Verpackungsindustrie, stehen unter Druck, ihre Lieferketten nachhaltiger zu gestalten.

Im Verpackungssektor zeigt sich bereits ein funktionierender Kreislauf. Viele Hersteller greifen heute auf Sekundäraluminium zurück, das beispielsweise aus alten Getränkedosen recycelt wurde. Die Technik dahinter ist erprobt, die Qualität konkurrenzfähig. Entscheidend ist jedoch die Organisation des Rücklaufs und der Aufbereitung. Unternehmen, die hier frühzeitig investieren, profitieren doppelt: Sie senken ihre CO₂-Bilanz und stabilisieren ihre Materialversorgung unabhängig von schwankenden Rohstoffpreisen.

Sekundäraluminium als Antwort auf geopolitische Risiken

Knapper werdende Rohstoffe, Handelskonflikte und instabile Lieferketten lassen viele Unternehmen umdenken. Die Abhängigkeit von Primäraluminium aus Importländern wie China, Russland oder Guinea stellt ein zunehmendes Risiko dar. Laut Zahlen der International Aluminium Institute stammen über 60 Prozent der weltweiten Bauxitförderung aus Regionen mit fragilen politischen Strukturen. Wer hier einseitig beschafft, macht sich verwundbar.

Sekundäraluminium bietet eine greifbare Alternative. Statt auf Rohstoffimporte zu setzen, lässt sich vorhandenes Material lokal rückführen. Das sichert Verfügbarkeit und entlastet gleichzeitig Umwelt und Klima. In Deutschland liegt die Recyclingquote von Aluminiumverpackungen bereits bei über 90 Prozent, meldet die GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung. Die Herausforderung besteht darin, diese Strukturen auch auf industrielle Halbzeuge zu übertragen. Erfolgreiche Beispiele zeigen, dass dies möglich ist – wenn Logistik, Materialtrennung und Schmelztechnologie effizient zusammenspielen.

Maschinenbau entdeckt Kreislaufsysteme als Effizienztreiber

Im Maschinen- und Anlagenbau hat Aluminium traditionell einen festen Platz – sei es in Gehäusen, Profilen oder Sonderteilen. Was sich ändert, ist die Haltung zum Materialeinsatz. Unternehmen achten verstärkt darauf, wie sich Aluminiumreste aus der Fertigung rückführen lassen. Moderne CNC-Anlagen erfassen heute schon beim Fräsen den Materialverlust digital. Diese Daten fließen direkt in die Planung für Wiederverwertung. Solche Prozesse verringern nicht nur die Verschwendung, sondern senken auch die Entsorgungskosten.

Besonders mittelständische Betriebe, die lange auf klassische Lieferanten gesetzt haben, entdecken nun Recyclinglieferketten als flexible und zunehmend strategisch sinnvolle Alternative. Dabei entstehen neue Kooperationen mit spezialisierten Schmelzwerken, die sich ausschließlich auf die Verarbeitung von Sekundäraluminium konzentrieren und passgenaue Lösungen für individuelle Anforderungen anbieten.

Gleichzeitig entwickelt sich die Technik rasant weiter: Spezielle Legierungen lassen sich mittlerweile so präzise konfigurieren, dass sie vollständig aus hochwertigem Recyclingaluminium bestehen können, ohne in Bezug auf Festigkeit, Korrosionsbeständigkeit oder Formbarkeit gegenüber Primärmaterialien irgendwelche Leistungseinbußen zu zeigen. Auch spannend: Wichtige seltene Erden – Die unsichtbaren Schätze der modernen Technologie

Architekten und Bauindustrie setzen auf grüne Metalle

Auch im Bauwesen ist der Wandel spürbar. Aluminium wird in Fassaden, Fensterrahmen und Tragwerken eingesetzt – oft in großen Mengen. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) fordert in ihren Zertifizierungskriterien längst den Einsatz von Materialien mit hohem Recyclinganteil. Architekten greifen deshalb gezielt zu zertifiziertem Sekundäraluminium, wenn sie nachhaltige Gebäude realisieren wollen.

Ein Vorzeigeprojekt ist das neue Headquarter der Triodos Bank in den Niederlanden. Dort wurden sämtliche Aluminiumbauteile konsequent aus recyceltem Material gefertigt, das vollständig aus europäischen Rückläufen stammt und höchsten Qualitätsstandards entspricht. Die Kombination aus moderner architektonischer Ästhetik, technischer Innovation und klar definierten Umweltzielen zeigt eindrucksvoll, wie Bauwirtschaft, Ressourcenschonung und zirkuläre Materialnutzung miteinander verbunden werden können. Auch immer mehr Bauunternehmen erkennen inzwischen: Der gezielte Einsatz von Sekundäraluminium steigert nicht nur die ökologische Nachhaltigkeit eines Projekts, sondern wirkt sich zunehmend auch positiv auf Förderfähigkeit, ESG-Bewertung und Vermarktungschancen aus.

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